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Wiesbadener Kunstsommer 2004

Skulpturenpark 2.5. bis 10.10.2004
Sommerakademie 19.7. bis 27.8.2004
Symposium 9.10. bis 10.10.2004

Aus der Besucherumfrage geht die "Parkskulptur" im Wiesbadener Kurpark sozusagen auf den letzten Metern als Gewinner unter den 8 Arbeiten hervor. Das bedeutet den Ankauf der Skulptur durch die Stadt Wiesbaden.
Das "Erntedankfest" am 3. Oktober mit der versprochenen Zubereitung und Ausgabe der Kürbissuppe durch den Künstler findet in Kooperation mit dem Kurhausrestaurant Kaefer statt und erhält so eine zusätzliche Bedeutung. Die Suppe wird zu einem geringen Entgelt direkt bei der Skulptur zubereitet und soll ab 12 Uhr bis 15 Uhr bereit stehen.
Bei schlechtem Wetter wird ein Ort im Kurhaus bekanntgegeben.

 
 
 
Parkskulptur 2004

Vollrad Kutscher veranstaltete von 1980 bis  2000 in seinem Atelier jeweils anlässlich der Frankfurter Buchmesse ein Fest. Das Atelier wurde an diesen Abenden zu einem Knoten im Netzwerk der internationalen Kunst- und Performanceszene.

Die Öffnung seines privaten Raumes, die Schaffung einer besonderen Atmosphäre, die den wechselseitigen Austausch zwischen Künstlern der verschiedenen Sparten abseits vom üblichen Kunstmarkt ermöglichte, entsprach seiner künstlerischen Haltung und führte 1982 zum „Erntedankfest“.

In einer 7monatigen Aktion hatte er dafür vorher das Atelier in eine Art Gewächshaus verwandelt. Der Treppenaufgang zum Atelier war vollständig bepflanzt. Im Hof wuchsen Kürbisse, Zuchinis und Bohnen, die er im Lauf der Zeit mit erotischen Ritzzeichnungen versah. Sie vernarbten zu eigenartigen Pflanzentatoos. Den Großteil des Atelierbodens bedeckte ein Teppich aus Gras, auf dem ein ebenfalls von einer Grasdecke bewachsener, großer Tisch stand.

Zum Erntedankfest wurden darauf u.a. die geernteten, bearbeiteten  Kürbisse und Zuchinis präsentiert. Die Besucher waren aufgefordert worden, Gaben für den Erntedanktisch mit zu bringen und erhielten vom Gastgeber signierte Kürbiskerne und Bohnen geschenkt. Kutscher knüpfte an Joseph Beuys Begriff der „Sozialen Plastik“ an. Kunst sollte sich nicht auf rein materielle Artefakte beschränken, sondern über reflektierende Handlungen soziale Konsequenzen mit einbeziehen. Beuys Vorstellungen einer gesellschaftsverändernden Kunst, in der durch menschliches Handeln ein „sozialer Organismus“ entsteht, mündeten bei Kutscher im spielerischen Ritual eines erotischen „Erntedankfestes“ ,das über den Rückgriff auf kirchliche Traditionen hinaus selbst wiederum auf rauschende Feste bäuerlich- archaischer Gesellschaften verwies. Seine Arbeit erinnerte daran, dass unsere heutige städtische Kultur aus den Eingriffen unserer sesshaft gewordenen Vorfahren in Natur, der Agrikultur  hervorgegangen ist.

„Skulptur 2004“ im künstlich angelegten Wiesbadener Kurpark verlagert den damals, in einer Zeit der zunehmenden Bewusstwerdung ökologischer Probleme, im privaten Raum veranstalteten Ansatz auf die Beantwortung der Frage, wie im 21. Jhd. eine Skulptur im öffentlichen Raum aussehen könnte.

Auf einer Parkwiese befindet sich ein kreisrunder Humushaufen, der sowohl als Sockel für Gitter-Weltkugeln aus Edelstahl als auch als Anbaufläche für Kürbispflanzen dient. Die in ihrer Größe divergierenden Kugeln lassen in Anzahl und Auslegung an ein Planetensystem denken. Sie sindzwar aufklappbar, bleiben aber verschlossen und sind mit Ketten untereinander verbunden. Innerhalb dieser „Welten-Körper“ entwickeln sich über einen Sommer hinweg aus den zarten Pflanzen die Kürbisse. Wie ein Schutz vor Diebstahl legen sich die Kugel zunächst behütend um die Kürbisse, doch werden einige bedingt durch ihr natürliches Wachstum an ihre Käfiggrenzen stoßen. “Wird das Gitter den Kürbis erdrücken, wird er verschimmeln oder wird er in  das Gitter hineinwachsen und es nach innen schlucken?“. Das von Kutscher inszenierte Drama zwischen geometrischer und organischer Form, zwischen hartem Metall und weicher Frucht, zwischen Kultur und Natur steht als Metapher für allgemeine gesellschaftliche und individuelle Entwicklungsprozesse. Als zusätzlicher Aspekt sollten ursprünglich Kameras die Arbeit überwachen und dokumentieren.

Diese Skulptur bedarf, anders wie traditionelle Werke, aber genauso wie der Park, steter Pflege und Kultivierung, aber ein solch lebendiger Umgang mit ihr könnte zu einer lustvollen Erntedanktradition werden. Wenn im Herbst die Kugeln geöffnet und die Kürbisse geerntet werden, dann hat das Publikum die Möglichkeit die Arbeit neu zu verinnerlichen, denn neben die Augenfreuden treten dann auch die Gaumenfreuden.

Peter Forster

 


9. Juni 2005

Die Kürbispaten, eine elfte Klasse der Martin-Niemöller-Schule, enthüllen mit Vollrad Kutscher das Kunstwerk neu auf dem Dernschen Gelände!


mehr: » http://www.kuerbispaten.de
(Foto: Kürbispaten)

Seit 2016 ist die iba gGmbH als Kürbispate engagiert.